Uns fehlt ein Schmerztherapeut

Autor: Allgemeine Zeitung Alzey

Wer ständig an Schmerzen leidet, verliert häufig die Lebensfreude. Chronische Schmerzen binden Energie und verhindern bisweilen sogar die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Gleichzeitig sind sie – nicht zuletzt durch die demografische Entwicklung – fast schon ein „Volksleiden“, vor allem in fortgeschrittenem Alter. Im Kreis Alzey-Worms, so berichtet nun die Krankenkasse Barmer GEK in einer Pressemitteilung, müssen rund 4500 Menschen mit chronischen Schmerzen leben. Mit 3,6 Prozent Betroffener in der Bevölkerung liegt der Kreis damit zwar unter dem Landesdurchschnitt von 4,1 Prozent. Für die Betroffenen ist das aber ein schwacher Trost. Die Kassen fordern die Hausärzte auf, ihrer Lotsenfunktion gerecht zu werden.

DEFINITION
„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache.“ – so die Definition der Internationale Gesellschaft zur Erforschung des Schmerzes.
Akuter Schmerz hat den Charakter eines Warn- und Leitsignals.
Als chronischer Schmerz hat Schmerz indes den Charakter des Warnsignales verloren. Chronischer Schmerz wird heute als eigenständiges Krankheitsbild (Chronisches Schmerzsyndrom) gesehen und behandelt.

Auch Kinder haben schon Beschwerden
Mit der entsprechenden Skepsis nimmt Friedel Rohr, Allgemeinmediziner in Framersheim und Vorsitzender des Gesundheitsnetzes Region Alzey, die Zahlen zur Kenntnis. Eines aber sei klar: „Die Beschwerden, über die die Patienten klagen, die in Praxis kommen, sind zu über 50 Prozent Schmerzen“, so der Arzt. Das reicht vom Kopfschmerz über Bauch, Wirbelsäule bis zum Fuß, betroffenen seien letztlich fast alle Körperteile und Organe. Und bei zwei Drittel der Betroffenen sei der Schmerz chronisch. Natürlich seien es häufig die Älteren, die etwa mit Arthrose im Knie kämen. „Aber auch Kinder und junge Erwachsene leiden schon unter chronischen Schmerzen, etwa bei einem Krebsleiden“, gibt Rohr zu bedenken.
Der Kreis ist nach Ansicht Rohrs in Sachen Schmerztherapie „recht gut“ aufgestellt. „Was wir uns in Alzey aber wünschen würden, wäre, einen niedergelassenen Schmerztherapeuten zu haben“, sagt Rohr. Es gäbe allerdings einige Kollegen mit der Bezeichnung „Palliativmedizin“, die Schmerztherapie beinhaltet. Ansonsten biete die Neurologische Klinik in der Rheinhessen-Fachklinik stationäre Schmerzbehandlung an. „Außerdem arbeiten wir mit Schmerztherapeuten in Worms und Mainz zusammen“, erläutert der Vorsitzende des Gesundheitsnetzwerkes. Aus seiner Sicht nehmen die Allgemeinmediziner ihre Funktion als Lotse „gut wahr und kümmern sich schnell.“
Trotzdem haben manche einen langen Leidensweg hinter sich, bis ihnen geholfen wird. Das weiß Dr. med. Christof Keller, Chefarzt für Neurologie an der Rheinhessen-Fachklinik. Immer noch würden Patienten beispielsweise als Simulanten abgestempelt und nach dem Motto „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ ungenügend behandelt. „Wenn akute Schmerzen nicht ausreichend behandelt werden und das sogenannte Schmerzgedächtnis aktiviert wird, können Schmerzen chronisch werden“, mahnt Keller. Hierbei handele es sich um körpereigene Verstärkungsmechanismen, die dann greifen, wenn der akute Schmerz als natürliches Warnsignal nicht registriert, behandelt oder übergangen werde. Der Experte sieht auch im Raum Alzey noch viel Handlungsbedarf: Chronischer Schmerz bleibe in Diagnostik und Therapie eine große Herausforderung. „Wir benötigen eine umfassende interdisziplinäre Zusammenarbeit, an deren Anfang häufig der Hausarzt steht und in der weiterführenden Versorgung spezialisierte Fachärzte beziehungsweise auch das Krankenhaus.“ Zahlreiche Schmerzkonferenzen, zum Beispiel an der Rheinhessen-Fachklinik Alzey, seien notwendig, um das Thema weiter zu bringen.
Dr. Holger Suffel, der in der Altstadt von Alzey eine Allgemeinmedizinische Praxis betreibt, sieht beim Thema Schmerztherapie auch noch Nachholbedarf. „Wir haben Schmerztherapeuten in Mainz, Worms und Bad Kreuznach, aber sie dürfen nicht beliebig viele Patienten annehmen“, bedauert er, „uns fehlt hier ein Schmerztherapeut.“ In dringenden Fällen versuche er, direkt bei einem der Kollegen einen Termin für seine Patienten zu bekommen, in der Regel klappe das auch.
Auch er wünscht sich einen Schmerzspezialisten in Alzey, wo es keinen entsprechenden Kollegen gibt. Der Bedarf sei da. „Natürlich wird die Funktion von uns im Rahmen der Möglichkeiten gut wahrgenommen“, sagt Suffel, aber der Bedarf sei groß. Hilfreich sei auch der gute Draht zum DRK-Schmerzkrankenhaus in Mainz.
Um zum Originalartikel zu gelangen, klicken Sie bitte auf folgenden Link: http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/alzey/alzey/alzey-worms-hier-fehlt-ein-schmerztherapeut_17172951.htm

 

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