Sterbehilfe, assistierter Selbstmord oder unterlassene Hilfeleistung?

Patientenverfügung ist wichtig für Jung und Alt

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Dieser Tage ging die Nachricht „Britische Hausärztin will Tod in der Schweiz“ durch die Presse, die mich als praktizierender Hausarzt doch sehr nachdenklich gemacht hat. Was war geschehen? Eine Kollegin aus England litt an einer fortschreitenden schweren Erkrankung, ihr behandelnder Arzt hatte sie mehrfach darauf hingewiesen, dass sie wahrscheinlich bettlägerig würde und einen langsamen und qualvollen Tod zu erwarten habe. „Das wollte ich nicht“, sagte die 66-jährige kurz vor ihrem Tod. Die Ärztin entschloss sich, in der Schweiz zu sterben und flog deshalb gemeinsam mit ihren drei erwachsenen Kindern nach Zürich. Unter der Obhut von Ärzten beendete sie in einer Privatklinik ihr Leben, in dem sie einen Mix aus starken Schmerzmitteln trank. Ihre Kinder waren zum Todeszeitpunkt anwesend und filmten die Vorkommnisse mit einer Videokamera. Im britischen Fernsehen wurden dann die letzten Stunden der Ärztin zeitversetzt gezeigt.

Dieses Ereignis hat die Debatte über aktive Sterbehilfe in Großbritannien und auch in anderen europäischen Ländern wieder angefacht, ist doch diese aktive Sterbehilfe in vielen Ländern, so auch in Deutschland, verboten. Bei ihr wird aktiv etwas getan, also z.B. ein Medikament verabreicht, um den Tod des Patienten zu erreichen. Daneben gibt es aber auch noch die indirekte Sterbehilfe, wo der Arzt z.B. ein sehr starkes Schmerzmittel (z.B. Morphium) verabreicht, um die Schmerzen zu lindern, aber billigend in Kauf nimmt, dass der Tod eines schwerkranken Patienten dadurch etwas früher eintreten kann, weil die Funktionen von Lunge, Leber oder Nieren beeinträchtigt werden. Eigentlich ist diese indirekte Sterbehilfe auch eine Form der aktiven Sterbehilfe, nur mit dem Unterschied, dass hier in erster Linie eine Symptomkontrolle stattfindet. Das heißt, bei einem Patienten, der am Ende eines langen Leidensweges steht, sollen Symptome, wie Schmerzen, Übelkeit, Verwirrtheit, Appetitlosigkeit, Angst, Depressionen gelindert werden. Das geschieht mit Medikamenten, die als Nebenwirkung praktisch die Lebensdauer verkürzen. Bei ordnungsgemäßem Einsatz ist das nicht strafbar. Es kann sogar die Nichtverabreichung notwendiger Schmerzmittel mit der Begründung, keinen vorzeitigen Tod herbeiführen zu wollen, als Körperverletzung oder unterlassene Hilfeleistung geahndet werden. Diese indirekte Sterbehilfe wird heute auch gerne als palliative Medizin bezeichnet, sie ist der natürliche Mittelweg zwischen Lebensverlängerung um jeden Preis und aktiver Sterbehilfe.

Viele werden sich jetzt beim Lesen die Frage stellen, „wie hätte ich es denn gerne?“. Dafür gibt es die Patientenverfügung, im Volksmund auch Patiententestament genannt, mit der Sie bestimmen können, wie und in welchem Unfang Sie im Falle eines Unfalls oder einer Erkrankung mit Verlust Ihrer Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit medizinisch behandelt werden möchten. Ihr persönlicher Wille ist in dieser Patientenverfügung klar ersichtlich, da er schriftlich festgehalten wurde und alle zwei Jahre von Ihnen aktualisiert wird. Ihre Unterschrift macht aus Ihrem Willen ein rechtsverbindliches Dokument.

Eine Patientenverfügung ist aber nicht nur etwas für ältere Menschen, sondern auch für Jüngere, da sie durch die Gefahren der Straße, risikoreiche Sportarten und gefährliche Krankheiten schnell in lebensbedrohliche Situationen kommen können.

In dieser Patientenverfügung können Sie aber auch festlegen, dass Sie für den Fall der Fälle keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschen. Unter diese passive Sterbehilfe fallen beispielsweise der Verzicht auf Beatmung, Dialyse, Wiederbelebung (Reanimation) oder auch der Verzicht auf künstliche Ernährung, Flüssigkeitszufuhr oder Medikamente. Zu was hatte sich jetzt die englische Hausärztin entschieden? Der Jurist spricht hier von einer Beihilfe zum Suizid (assistierter Suizid), also einer Selbsttötung mit Hilfe einer Person (oft eines Arztes), der Medikamente (in diesem Fall sehr starke Schmerzmittel, wahrscheinlich auch eine Überdosis) oder andere Hilfsmittel zum Suizid bereitstellt. Diese Beihilfe zur Selbsttötung ist nicht strafbar.

Wenn das jetzt auch alles ziemlich klar klingt, so steht die Sterbehilfe doch weiterhin im Spannungsfeld zwischen Gesetz und Selbstbestimmung, zwischen staatlichem Anspruch und individuellen Persönlichkeitsrechten, zwischen Strafrecht und Notstand bzw. Notstandshilfe. Die Abgrenzung der aktiven zur passiven Sterbehilfe oder auch der indirekten Sterbehilfe ist im Einzelfall sehr sehr schwierig. Unsere moderne Intensivmedizin hat nämlich dazu geführt, dass die menschliche Existenz am Ende des Lebens vielfache Formen annimmt: Wann ist ein Mensch schwerkrank, todkrank oder gar ein Sterbender: Für z.B. Patienten im Dauerkoma, für Schwerstbehinderte und auch für Alzheimerpatienten im Endstadium müssen Antworten auf die Fragen gefunden werden, was für sie getan werden muss und was mit Ihnen getan werden darf. Mal gesetzt der Fall es wird dem Sterbenskranken ermöglicht, auszuwählen, wie er sein ganz persönliches Sterben gestalten möchte, stößt dann diese Wahlmöglichkeit nicht an ethische und moralische Grenzen. Nicht vergessen werden darf auch der strafrechtliche Aspekt, den vor allem der beachten muss, der um aktive Sterbehilfe gebeten wurde. Es gibt hier auf jeden Fall noch eine Menge Fragezeichen, die von der Politik unter Zuhilfenahme von Ärzten und Juristen angegangen werden sollten.

Trotz vieler unbeantworteter Fragen sollten sich meines Erachtens alle Menschen mit dem Thema Patientenverfügung beschäftigen. Bevor Sie jetzt aber eine solche Patientenverfügung niederschreiben oder einen Vordruck ausfüllen, sollten Sie sich durch entsprechende Literatur oder im Internet genaustens informieren. Dabei müssen Sie sich dann klar werden, was Sie möchten. Sehr hilfreich kann es auch sein, mit dem Hausarzt darüber zu sprechen, eventuell auch mit einem Juristen. Mediziner und Juristen können Ihnen auf jeden Fall behilflich dabei sein, Ihre Wünsche, Vorstellungen und Fragen zu formulieren. Verwandte, der Partner/die Partnerin und Freunde sollten auf jeden Fall bescheid wissen über Ihre Wünsche und Vorstellungen. Solche Patientenverfügungen können heute schon bei Instituten oder Stiftungen im Internet hinterlegt werden. Das hat den Vorteil, dass Sie alle zwei Jahre an die Aktualisierung erinnert werden. Ein Exemplar Ihrer mit Datum und Unterschrift versehenen Patientenverfügung sollte auch ein von Ihnen eventuell bestimmter Bevollmächtigter erhalten, der im Falle des Falles an Ihrer Stelle Entscheidungen trifft und natürlich der Hausarzt oder ein anderer Sie behandelnder Arzt.

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