Autor: Allgemeine Zeitung Alzey, Herr Thomas Ehlke
„So voll war es zuletzt beim Thema „Sex im Alter““, kommentierte Moderator Dr. Günter Gerhardt den enormen Besucheransturm, den die jüngste Nachtvorlesung von Gesundheitsnetz Region Alzey e. V. und Allgemeiner Zeitung entfachte. So packte der Kaufmännische Direktor des DRK-Krankenhauses, Michael Nordhoff, selbst mit an, um weitere Stühle in den Tagungsraum im Untergeschoss der Klinik zu schleppen. Dennoch mussten am Ende einige Zuschauer stehen oder auf den Fensterbänken Platz nehmen.
„Jod ist Treibstoff“
Auslöser war ein kleines Organ im Hals, das – wie es Gerhardt ausdrückte – „klein, aber oho“ ist: die Schilddrüse. Die vier Referenten des Abends belegten, dass dieses, den Stoffwechsel des menschlichen Körpers steuernde „Schaltzentrum“, verantwortlich für das Wohlbefinden oder – im negativen Fall – für vielfältige Beschwerden ist. „Jod ist der Treibstoff der Drüse“, stellte Dr. Clemens Keitel fest. 200 Mikrogramm, so der Chefarzt der Inneren Medizin im DRK-Krankenhaus, braucht man täglich. Da Rheinhessen eine klassische Jodmangel-Region ist, sei es empfehlenswert, Jodsalz oder andere jodhaltige Produkte zu sich zu nehmen.
Müdigkeit, Depression, Gewichtszunahme, Haarausfall und Verstopfung sind die Warnsignale einer Unterfunktion der Schilddrüse; Nervosität, Schlaflosigkeit, Schwitzen, Durchfall und Herzrasen die einer Überfunktion. Daraus resultierende Krankheiten sind Hashimoto-Thyreioditis und Morbus Basedow. Erhöhte Vorsicht ist bei Knotenbildung in der Schilddrüse geboten, wobei man zwischen „heißen“ und „kalten Knoten“ unterscheidet, wobei vor allem letztere zu bösartigen Tumoren entarten können, wie Keitel erläuterte.
Dass das Thema Schilddrüse alle Altersklassen vom Kind bis zum Senior angeht, betonte der Alzeyer Radiologe Dr. Adel El-Jamal. „Die Schilddrüse tut bei einer Erkrankung nicht weh, ist aber oft verantwortlich für Probleme an anderer Stelle“, so El-Jamal. Skeptisch sah der Nuklearmediziner die Punktierung als Diagnosenmethode: „Man kann damit eine Erkrankung nur nachweisen, aber nicht ausschließen.“
In Deutschland gebe es jährlich rund 5000 Fälle von Schilddrüsenkrebs. Frauen seien davon häufiger betroffen als Männer. Sehr selten seien tödlich verlaufende Krebserkrankungen.
Der in Eppelsheim praktizierende Allgemeinmediziner Dr. Burkhard Pett verdeutlichte, dass die Struma genannte Vergrößerung des Organs die häufigste Schilddrüsenerkrankung ist. „Die Folgen sind etwa Probleme beim Atmen und Schlucken“, skizzierte Pett. Um krankhafte Veräderungen der Drüse zu diagnostizieren, sollte das Regelhormon SH bei Blutuntersuchungen im Blick behalten werden.
Chirurgie heute radikaler
Dr. Christian Karnasch, Chefarzt der Chirurgie im DRK-Krankenhaus, machte deutlich, dass Schilddrüsen-OPs, die mit 0,18 % eine extrem niedrige Sterblichkeitsrate haben, zum Standard-Programm in den Kliniken gehörten. In Alzey führen Karnasch und seine Kollegen jährlich etwa 80 bis 90 Schilddrüsen-OPs durch. „Heute ist die Schilddrüsen-Chirurgie radikaler als früher“, stellte Karnasch fest. Das bedeutet, dass heutzutage entweder eine Hälfte oder die komplette Drüse entfernd werde. Damit soll sicher gestellt werden, dass alle Tumoren und Knoten entfernt sind, zudem will man weitere OPs vermeiden, da dann die Gefähr besteht, dass der Stimmbandnerv gelähmt wird.
Im Anschluss an die Kurzvorträge nutzten die Besucher rege die Chance, Fragen an die Mediziner zu stellen. Dabei warnte Chefarzt Dr. Keitel eindringlich davor, Schilddrüsen-Hormone einzunehmen, um abzunehmen oder die Konzentrationsleistung zu steigern.