Ein 58jähriger Mann, nennen wir ihn Kurt, kam vor etwa einem Jahr in meine Sprechstunde, ich betreue ihn seit vielen Jahren, und klagte über eine zunehmende Schlappheit (eigene Formulierung). Mehr sagte er mir nicht, mit viel Geduld musste ich weitere Informationen aus ihm herausfragen.
Bislang war er bei mir in Behandlung wegen Bluthochdruck, Typ II Diabetes, erhöhten Fettwerten und Übergewicht. Ich erfuhr im Verlaufe des Gespräches noch, dass die Schlafqualität auch deutlich schlechter geworden war, er schläft gut ein, wird nach 2 Stunden wach, kann dann stundenlang nicht mehr einschlafen und schläft noch einmal ein kurz bevor der Wecker rappelt. Laut seinen eigenen Worten ist es dann ja auch kein Wunder, wenn ihm die Arbeit als Steuerberater nicht mehr so wie früher von der Hand geht. Die Frage nach der Sexualität beantworte er mit den typischen Worten „na ja, nicht mehr so wie früher, aber noch o.k.“. Seine Körpersprache gab mir unmissverständlich zu verstehen ‚hör auf zu fragen, mehr will ich dir dazu nicht sagen‘. Hier kam mir einige Tage später der Vorteil des Hausarztes, der oft die ganze Familie kennt und behandelt, zu Gute in Person der Ehefrau: „Weihnachten ist öfters“ sagte sie lachend. Sie bestätigte auch meinen Verdacht, dass Kurt schnarcht, über Atemaussetzer (Apnoe) konnte sie nichts sagen. Ich machte mich also an die Arbeit und begann mit einer Blutuntersuchung. Hier zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten. Insbesondere zeigten Blutbild, Eisen, die Vitamine B12 und D, die Schilddrüsenwerte, Fett- und Blutzuckerwerte incl. des Langzeitwerts HbA1C Normalwerte, was mich sehr überraschte, zumal ich da im Laufe der Jahre andere Werte gewohnt war. „Bei Zunahme der Schlappheit habe ich da selbst schon dran gedacht und mich an Ihre Worte erinnert und mich entsprechend ernährt und öfters mal auf’s Fahrrad geschwungen“, so die Worte von Kurt. Jetzt blieb für mich v.a. noch übrig abzuklären, ob Kurt unter Atemaussetzern (Schlafapnoe) im Schlaf litt. Aber auch hier Fehlanzeige: In zwei Nächten im Schlaflabor wurden zwar Atemaussetzer in Rückenlage aufgezeichnet, aber nicht in einer behandlungsbedürftigen Häufigkeit. Kurt brauchte also nicht diese Maske (cPAP). Da diese wenigen Atemaussetzer nur in Rückenlage auftraten, gab ich der Ehefrau von Kurt den Tipp, in die Rückenteile der Schlafanzugjacken einen Tennisball einzunähen. Sie machte das sehr geschickt mit so kleinen Taschen in die man einen Tennisball stecken konnte. Immer, wenn sich Kurt dann in der Nacht auf den Rücken drehen wollte, war das für ihn unangenehm, und er drehte sich ohne aufzuwachen in eine Seitenlage, in der er weder schnarchte und auch keine Atemaussetzer auftraten. Bei dem Gespräch in der Praxis hatten wir eine Menge Spaß, aber es ging Kurt zwar besser, aber so das I-Tüpfelchen fehlte noch. Was man in der Medizin nie vergessen darf, sind die Hormone, die Schilddrüsenhormone hatte ich schon bestimmt, sie waren normal, also bestimmte ich jetzt noch im Blut das wichtigste Hormon des Mannes, das Testosteron, wohl wissend, dass nahezu 50 % der Männer mit Typ II Diabetes unter einem Testosteronmangel leiden. Zusätzlich gab ich meinem Patienten Kurt noch 3 AMS (steht für Aging Males Symptoms) Fragebögen mit. Und was soll ich Ihnen sagen, im Blut war das Testosteron deutlich erniedrigt und die Fragebögen ergaben eine Punktzahl, die auf schwere Beschwerden hinwiesen. Die anschließende Testosterongabe mit einer Spritze in den Muskel brachte dann endlich die Wende, der Patient ist wieder ganz der Alte, manchmal etwas zu viel, meint schmunzelnd seine Ehefrau.