Eine 52-jährige Patientin wird von mir wenige Tage lang wegen zunehmender Schulterschmerzen behandelt, schließlich überweise ich sie wegen stärkster Schmerzen und einem in der Folge unbeweglichen Schultergelenk zu einem Orthopäden, der ihr unter Ultraschallsicht eine Spritze verabreicht. Anschließend ist sie schmerzfrei.
„Wow“, denke ich beim Lesen des Arztbriefes.
Was war passiert? Ich berichte der Reihe nach:
Die Patientin, nennen wir sie mal Heike, stellt sich in der Praxis vor wegen ihres hohen Blutdrucks, der sich Dank der sportlichen Aktivitäten der Patientin und einem mediterranen Speiseplan mit 130/85 mm Hg im Normbereich befindet. Sie erzählt mir ganz begeistert von ihrem neuen Crosstrainer, den sie seit sechs Monaten regelmäßig benutzt. Seit einigen Tagen hat sie jetzt aber Schmerzen in der rechten Schulter. Ich untersuche die Schulter, kann nichts Auffälliges entdecken, denke an eine Muskelverspannung bedingt durch die ungewohnte Bewegung auf dem Crosstrainer, empfehle ihr eine Mikrowellen-Bestrahlungsserie in der Praxis und verordne ihr Arnica montana. Nach 2 Tagen berichtet sie über eine Zunahme der Beschwerden. Da die Schmerzen auftreten beim seitlichen Anheben des Oberarms denke ich an ein sog. Impingementsyndrom. Das ist eine Verengung im Schultergelenk. Dabei kommt der Oberarmknochen dem knöchernen Schulterdach zu nah, was entsprechend weh tut. Die Schulterenge entsteht durch eine fortschreitende muskuläre Dysfunktion der sog. Rotatorenmanschette, die von zwei Schultermuskeln gebildet wird, den Außenrotatoren. Werden sie schwach, kann der Oberarmkopf nicht mehr vom Schulterdach fern gehalten werden und es gelingt dem am Oberarmkopf ansetzenden kräftigen Deltamuskel beim Anheben des Armes den Oberarmkopf gegen das Schulterdach zu pressen. Weil neben dem Impingementsyndrom der Schulter fast immer auch eine Schleimbeutelentzündung (Bursitis) besteht, habe ich Heike geraten das Gelenk zu kühlen mit Eispacks und habe ihr gegen die Schmerzen und die Entzündung Ibuprofen verordnet. Mein weiterer Therapieplan sieht so aus, dass ich Heike nach dem Abklingen der akuten Symptomatik eine spezielle Krankengymnastik verordnen will, wozu es aber nicht mehr kommt, weil Heike bereits am nächsten Tag über stärkste Schmerzen klagt, der Arm kann jetzt gar nicht mehr bewegt werden, sodass ich Heike zu einem Orthopäden überweise, der im Gelenkultraschall (Arthrosonografie) die schon vermutete Schleimbeutelentzündung unterhalb des Schulterdaches sieht. In diesen Schleimbeutel spritzt der Kollege unter Ultraschallsicht ein örtlich wirkendes Betäubungsmittel gemischt mit Cortison. Anschließend ist Heike schmerzfrei, die Schulter kann wieder ohne Probleme bewegt werden. In den Tagen nach der Spitze nimmt Heike noch eine Woche täglich zwei Tabletten Ibuprofen und macht zuhause regelmäßig folgende Schulterübung: Die Oberarme werden in die Horizontale angehoben in eine Stellung wo Ober- und Unterarm einen rechten Winkel bilden. Ober- und Unterarme werden anschließend in den Ellenbogengelenken aus der Horizontalen in die Vertikale bewegt und wieder zurück, das Ganze 10 bis 30 Mal je nach Vermögen und am besten 3 x täglich. Wenn diese Gymnastik übrigens gleich beim Auftreten erster Beschwerden durchgeführt wird, sind Spritzen, wie beschrieben, oft nicht notwendig.