20.01.2002
In Deutschland müssen wir immer noch ca. 230.000 Todesopfer beklagen durch Herz-Kreislauf-Leiden, Herzinfarkte und Schlaganfälle! Diese Zahl gilt es zu reduzieren. Ist das möglich? Ein klares JA, in Regionen, wo gezielte Aufklärungskampagnen der Bevölkerung statt gefunden haben, konnte eine zwanzigprozentige Reduzierung der Leidensvorgänge beobachtet werden. Die vier Säulen zur Behandlung und Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall sind Bewegung, Ernährung, Medikamente und Entspannungsverfahren. Die wenigsten Probleme hat man in der Arztpraxis mit der Verordnung eines Medikamentes, das ist ja auch sehr praktisch und einfach, muss man doch in der Regel nur z. B. drei mal täglich eine Tablette nehmen. Die wird es dann schon richten. Das ist zwar teilweise richtig, aber eben nur „25 % der Wahrheit“. Die drei anderen Säulen hin zur Herz-Kreislauf-Gesundheit machen in der Umsetzung die größten Probleme. Man hat als Arzt in der Sprechstunde immer wieder den Eindruck, dass Patientinnen und Patienten es gar nicht hören wollen, was dann mit einem „ja, ja, Herr Doktor, ich weiß schon“ abgetan wird.
Auf das „Medikament Bewegung“ möchte ich heute näher eingehen. Alter ist dabei kein Grund, mit dem gezielten Training aufzuhören, im Gegenteil: Der Trainingseffekt überholt den Alterseffekt. Sport kann sogar den Alterungsprozess verlangsamen. Bewegung lässt nicht nur die Pfunde purzeln, körperliche Aktivität strafft das Gewebe, stärkt Herz, Kreislauf und Abwehrsystem, baut Stress ab, reduziert hohe Blutfettwerte und macht gute Laune. Sport auch ab 50, 60 oder sogar jenseits der 70? Und ob! Zu empfehlen gerade für Wiedereinsteiger und Senioren sind Ausdauersportarten. Dazu gehört das zügige Wandern, langsames Joggen, das Walken, Ski-Langlauf, Schwimmen und Rad fahren. „Mit dem Tempo beim Laufen kann ich sowieso nicht mithalten“, werden jetzt Manche denken, aber das stimmt nicht, denn langsames Sporttreiben ist für den Körper viel besser als schnelles. Wie sollte denn derjenige, der egal in welchem Alter, mit dem Laufen beginnen möchte, vorgehen?
Die erste Anlaufstelle ist sicherlich die Hausärztin/der Hausarzt. Sie kennen ihre Patienten am besten und können mit einigen Untersuchungen wie z. B. dem Belastungs-EKG oder einem Lungenfunktionstest entsprechend beraten. Es gibt eigentlich nur ganz wenige Menschen, die nicht laufen dürfen, dazu gehören Patienten mit schwersten Herzfehlern oder ausgeprägten orthopädischen Problemen. Gelenkschmerzen und Schäden am Bewegungsapparat wie z. B. der Arthrose verbieten eine Teilnahme am Lauftraining nicht automatisch, sondern hier muss auch noch einmal der Rat z. B. eines Orthopäden oder Sportmediziners eingeholt werden. Zu empfehlen ist Arthrosepatienten von den Ausdauersportarten das Schwimmen und Rad fahren. Mut macht eine Meldung aus Köln: 75 Senioren haben am 1. Oktober 2000 die klassische Marathondistanz von 42,195 km gemeistert. Der älteste Athlet war 74, die jüngste Teilnehmerin gerade 50. Sie laufen nicht verbissen und mit rasendem Puls, sondern locker, flockig und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ein Stichwort ist dabei gefallen, nämlich der Puls bzw. der Trainingspuls. Hier gilt eine Faustregel ab 60 Jahren: 180 minus Lebensalter sollten nicht überschritten werden. Das heißt also 120 Puls wären für den Sechzigjährigen die Obergrenze. Bei gut Durchtrainierten kann diese Obergrenze auch erhöht werden auf 200 minus Lebensalter. Aber hier sollte immer Rücksprache mit der ärztin/dem Arzt gehalten werden. Am Anfang muss man sicherlich den Puls öfter einmal überprüfen, d. h. man zählt 15 Sekunden und multipliziert mit 4 oder man benutzt eine Pulsuhr, die es in Sportgeschäften zu kaufen gibt. Später als Trainierter entwickelt man dann schon ein Gefühl dafür, wie sehr man sich belasten kann oder nicht. Auch hier gibt es eine Faustregel: Laufen ja, aber nicht außer Atem kommen! Bei diesem „Wohlfühltempo“ muss eine kleine Unterhaltung möglich sein. Wissenschaftlich gesehen sollten die Sätze aus bis zu 12 Wörtern bestehen, aber ein regelmäßiges Zählen der Wörter in einem Satz ist auch nicht zu empfehlen. Wer zum Perfektionismus neigt und in Zukunft gerne möchte, dass seine behandelnde ärztin/sein behandelnder Arzt immer genau über seinen Gesundheitszustand Bescheid weiß, kann sich auch auf ein so genanntes „Live-Shirt“ freuen: Ein mit Elektroden gespicktes Hemd liefert permanent Messdaten über Halsumfang, Brustumfang, Herzfunktion, Atmung, Körperhaltung und Bauchumfang. Billig wird dieser Spaß allerdings nicht, das Shirt wird ungefähr 500,– DM kosten. Dazu kommen aber tägliche Gebühren von rund 60,– DM für die übertragung und Auswertung der Daten. Dieser Luxus ist sicher übertrieben und zu teuer. Den Luxus für den richtigen „Treter“ sollten Sie sich allerdings leisten. Das wichtigste beim Laufen sind nämlich die richtigen Schuhe. Dabei ist vor allem auf die Dämpfung zu achten, die ganz unterschiedlich sein muss je nachdem ob man auf Waldboden, Schotterwegen oder Asphalt läuft. Wichtig ist auch eine gute Fersenkontrolle, da rund 80 % der Läufer „Fersenläufer“ sind. Wenn Fußprobleme auftreten, dann können Ferseneinlagen aus Plastik oder Gummi, Einlagen unter dem Fußgewölbe oder Einlagen unter dem Vorfuß helfen. Treten beim Laufen ungewohnte Beschwerden auf wie Luftnot oder Brustschmerzen, sollte diese unbedingt Ernst genommen werden und bei der ärztin/beim Arzt abgeklärt werden.