Kreuzschmerzen

11.02.2005

„Das Kreuz mit dem Kreuz!”

Im Laufe der Zeit wird auf unserem Rücken so einiges ausgetragen. Diese stiefmütterliche Behandlung fordert gewöhnlich früher oder später ihren Tribut: Etwa 80 % der Bevölkerung leidet einmal im Laufe ihres Lebens unter Rückenschmerzen. Daran ist in erster Linie unser bewegungsarmer Alltag schuld. Die meisten von uns sitzen viele Stunden verkrampft an ihrem Schreibtisch und schauen zusätzlich auch angestrengt auf den Computerbildschirm. Wie gesagt, besonders rückenfreundlich ist das nicht. Dabei kann man durchaus einiges tun, um Rückenprobleme nicht nur zu lindern, sondern sogar zu verhindern. Oft zeigen hier schon kleine Maßnahmen eine erstaunliche Wirkung. Es lohnt sich daher durchaus, ein paar Tipps auszuprobieren!


Wie kommt es eigentlich zu einem Bandscheibenvorfall?

Unsere Wirbelsäule besteht aus einzelnen Wirbelkörpern, zwischen denen sich die so genannten „Bandscheiben“ befinden. Die Funktion dieser Bandscheiben lässt sich leicht erklären, wenn wir sie mit den Stoßdämpfern eines Autos vergleichen: Durch einen weichen gallertartigen Kern, welcher von einem Bindegewebsring umschlossen wird, sind die Bandscheiben in der Lage, Stöße und Erschütterungen ähnlich abzufedern, wie das die Stoßdämpfer eines Autos können. Während aber der gallertartige Kern eines jungen Menschen noch in der Lage ist, viel Flüssigkeit zu binden, sind die Bandscheiben eines älteren Menschen meist unelastisch geworden und können Stöße und andere Belastungen auch nicht mehr so gut puffern. Durch eine Schwäche des Bindegewebsringes kann es dann passieren, dass die Bandscheibe verrutscht. Je nach dem, wohin sich welche Bandscheibe wohin verlagert, kann es sein, dass sie gegen das Rückenmark, Nervenwurzeln oder auch gegen Nervenbündel im Wirbelkanal drückt. Auf diese Weise kommt es so zu Schmerzen im Rücken oder auch zu Beschwerden in Schulter, Arm und in den Fingern.


Wie kann man feststellen, ob es tatsächlich ein Bandscheibenvorfall ist und, wenn ja, wie gestaltet sich die Behandlung?

Die Diagnose erfolgt gewöhnlich durch eine Computer- oder Kernspintomographie. Die weitere Behandlung richtet sich dann in der Regel nach dem individuellen Fall: Die Therapie zielt in erster Linie darauf ab, Muskelverspannungen zu lösen, so dass die Bandscheibe wieder von alleine in ihre Ausgangsposition zurückgleitet. Muskelverspannungen lassen sich oft gut durch Wärme, also mit Hilfe von Moorpackungen, heiße Bäder oder Kurzwellen- Behandlungen beheben. Auch eine gezielte Krankengymnastik, muskelkrampflösende Medikamente und die Chirotherapie können bei Bandscheibenvorfällen viel bewirken. Manchmal ist aber auch ein operativer Eingriff notwendig.


Wie kommt es zu einem „Hexenschuss“?

Viele Leute glauben, dass sich bei einem Hexenschuss ein Nerv eingeklemmt hätte oder dass etwas mit den Bandscheiben sei. Dem ist nicht so! Ein Hexenschuss wird gewöhnlich durch eine Fehlfunktion des geraden Bauchmuskels verursacht. Durch die Tatsache, dass die meisten von uns ihren Alltag in sitzender, sehr bewegungsarmer Haltung zubringen, kann es sein, dass dieser Bauchmuskel stark verkürzt ist. Eine abrupte Bewegung, das plötzliche Aufrichten aus gekrümmter Haltung, kann ihn dann so überfordern, dass es zu starken Schmerzen kommt. Diese äußern sich dann allerdings nicht im Bereich des Bauchmuskels, sondern dort, wo sein Gegenspieler, der Gesäßmuskel sitzt. Letzterer erstreckt sich vom Kreuzbein, über den Oberschenkel bis ins Schienbein. Die Schmerzen eines Hexenschusses sind meist so stark, dass sich die Betroffenen nur noch in gebückter Haltung zum Telefon und schließlich zum Bett schleppen können, um dort zu kauern, bis der Notarzt kommt. Dieser verabreicht dann in der Regel erst einmal eine schmerzstillende Spritze. Es ist auch notwendig, dass der behandelnde Arzt durch gezielte Fragen und eingehende Untersuchungen ausschließen kann, dass es sich nicht doch um einen Bandscheibenvorfall, oder gar um eine Erkrankung des Hüftnervs handelt. Auch Möglichkeiten, wie etwa ein Muskelrheumatismus müssen bedacht werden. Wenn dann alle Faktoren wirklich auf einen Hexenschuss hinweisen, helfen alle durchblutungsfördernden Maßnahmen, wie etwa heiße Moorpackungen, Heublumenauflagen, Massage und Schwitzkuren. Außerdem sollte der Patient sich ein paar Tage im Bett ausruhen.


Gibt es Möglichkeiten, seine Rückenmuskulatur zu stärken?

Natürlich gibt es die! Eine davon besteht beispielsweise darin, „normalgewichtig“ zu sein. Überflüssige Pfunde, die wir tagein, tagaus mit uns herum tragen, schaden nicht nur dem Rücken, sondern auch dem Rest unseres Körpers. Außerdem sollte man wissen, dass wir bis zu unserem 70. Lebensjahr etwa bis zu 50% unserer Muskulatur verlieren, wenn wir nicht aktiv gegensteuern. Ich kann Ihnen also nur ans Herz legen, eventuelle Scheu zu überwinden und sich auf den Weg ins Fitnessstudio zu machen; dort wird Ihnen, unter fachgerechter Anleitung, das Krafttraining näher gebracht, damit Sie durch das Arbeiten mit Gewichten, Muskulatur aufbauen. Für die Stärkung Ihres Herz-Kreislaufsystems sollten Sie aber auch ein bisschen Ausdauersport betreiben. Und noch ein weiterer Tipp zum Schluss: Vergessen Sie die Regeln der Rückenschule, welche während der 60-er Jahren aufgestellt wurden. Damals dachte man, auf Grund verschiedener Messungen und Untersuchungen, mitunter, dass das Stehen weniger belastend sei, als das Sitzen. Wenn man dann doch saß, sollte dies mit völlig geradem, durchgestrecktem Rücken erfolgen. Heute weiß man, dass gerade diese Haltung für den Rücken sehr schädlich ist. Der jüngste Erkenntnisstand weist viel mehr darauf hin, dass eine Art „bewegtes Sitzen“ die gesündeste Variante ist. Das heißt, Sie dürfen ruhig vor dem Schreibtisch „lümmeln“, wenn Sie nur Ihre Position ab und an verändern. Auch die bisher verpönte Seitenlage im Bett ist wieder „rehabilitiert“. Alles ist erlaubt, wenn Sie nur nicht zu lange in starren, unveränderten Positionen verharren.


Durch welche Maßnahmen kann man den Alltag insgesamt rückenfreundlicher gestalten?

Wenn Sie eine berufliche Tätigkeit ausüben, die hauptsächlich im Sitzen erfolgt, beginnen Sie am besten dort mit den kleinen, aber dennoch wirksamen Veränderungen. Ersetzten Sie Ihren Bürostuhl durch einen gut luftgefüllten Gymnastikball; seine runde, weiche Oberfläche verhindert automatisch, dass Sie ihren Arbeitstag in einer starren Haltung zubringen. Es ist auch sinnvoll, sich ein „Keilkissen“ zu besorgen. Es verfügt nämlich über eine nach vorne geneigte Sitzfläche, die Sie automatisch in eine rückenfreundliche Haltung bringt. Auch sonst können Sie in Ihrem Alltag auf einiges achten: So sollte sich Ihr Bügelbrett etwa auf Leistenhöhe befinden, damit Sie Ihren Rücken nicht rund machen müssen. Auch das Staubsaugen sollte mit geradem Rücken erfolgen. Wenn das so mit Ihrem Staubsauger nicht möglich ist, müssen Sie sich nach einem Verlängerungsrohr erkundigen. Auch Stehen will gelernt sein! Dabei sollten Sie nämlich nicht die Knie durchdrücken. Denken Sie außerdem beim Zähneputzen daran, dass Sie sich nicht mit einem runden Rücken über das Waschbecken beugen. Und natürlich sollte man sich auch zur Nacht richtig betten: Wenn Sie in der Rückenlage schlafen, sollten Sie sich ein Kissen unter die Kniekehlen schieben.


Können Rückenschmerzen auch durch die Psyche bedingt sein?

Ja, selbstverständlich. Um ganz exakt zu sein: Oft handelt es sich um eine Kombination körperlicher und psychischer Faktoren. Wir alle haben es doch schon oft erlebt, wie wir in Stresssituationen erstarren; den Nacken und die Schulter einziehen – uns ducken – und warten, bis die schwierige Situation an uns vorüber gegangen ist. Wenn der Arbeitsalltag aber nun chronischerweise von Stresssituationen geprägt ist, können wir uns auch eine chronisch fehlerhafte Körperhaltung aneignen. Sollte hinzukommen, dass die Büroeinrichtung auch nicht besonders rückenfreundlich ist, werden Haltungsschäden sogar noch verstärkt. Im Volksmund hat sich der psychische Aspekt der Rückenprobleme schon lange niedergeschlagen: So spricht man oft von „untragbaren Situationen“ oder man sagt „er trägt eine große Last auf seinen Schultern“. Um den Rückenbeschwerden schließlich bei zu kommen, ist es daher wichtig, ganzheitlich anzusetzen: Das heißt, es ist notwendig körperliche Maßnahmen zu ergreifen (z. B. Übungen der Rückenschule, Sport, Krankengymnastik) und gleichzeitig psychische Unterstützung durch Entspannungsübungen oder Kurse, beziehungsweise ein „Coaching“ zum Thema “ Stressmanagement“ zu besuchen. So hat man die größten Chancen, seine Rückenprobleme auf Dauer los zu werden.

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