Kinderkrankheiten

Kinderkrankheiten im Erwachsenenalter

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19.05.2005

Wenn Ihre Auto-Werkstatt davon spricht, dass Ihr Wagen gerade die üblichen „Kinderkrankheiten“ durchmacht, dann ist das – zumindest in aller Regel – tröstlich gemeint und heißt: Der Schaden ist harmlos, schnell behoben und nicht teuer. Dabei ist die Überzeugung, Kinderkrankheiten seien harmlos, nicht nur irreführend, sondern schlicht falsch. Denn der Grund, warum wir im Kindesalter Infektionskrankheiten, wie etwa Masern, Mumps, Röteln, Windpocken und Keuchhusten durchmachen müssen, ist, dass sie einfach so ansteckend sind, dass ihnen kaum einer entkommen kann. Hat man diese Krankheiten allerdings unbeschadet überstanden, erhält man gewöhnlich eine lebenslange Immunität. Mittlerweile erkranken jedoch immer mehr Jugendliche und erwachsene Menschen an den so genannten „Kinderkrankheiten“. In so einem Fall kann die Angelegenheit richtig gefährlich, wenn nicht sogar lebensbedrohend sein. Zudem bleiben nicht selten auch schwerwiegende Spätfolgen zurück.

Warum treten so viele Kinderkrankheiten immer häufiger im Jugend- und Erwachsenenalter auf?

So ganz zweifelsfrei hat man diese Frage bisher nicht klären können. Es gibt aber einige Erklärungsansätze, die zur Beantwortung dieser Frage durchaus Sinn machen: Zum einen minimieren höhere Hygiene- und Lebensstandards das Infektionsrisiko und zum anderen verhindern Einkindfamilien die epidemiehafte Ausbreitung einer Kinderkrankheit. Früher haben sich die Geschwister in Großfamilien meist gegenseitig angesteckt. Nicht selten waren schließlich ganze Stadtteile beispielsweise von einer Windpockenwelle betroffen. Heute geschieht das gewöhnlich nicht mehr in diesem Ausmaß; sogar die Gruppen im Kindergarten haben oft einen kleineren Umfang. So kommt es, dass viele Kinderkrankheiten nicht mehr in einem typischen, frühen Alter auftreten, was gewöhnlich zur Immunität führen würde, sondern eben gegebenenfalls im Jugend- und Erwachsenenalter „zuschlagen“. Zumindest dann, wenn kein ausreichender oder sogar überhaupt kein Impfschutz besteht.

Mein Mann sagt, dass er auf Grund einer Mumpserkrankung in der Pubertät unfruchtbar sei. Kann das sein?

Das kann sehr gut sein, denn der Mumps-Erreger kann durch den Körper wandern und so verschiedene Organe und Organsysteme befallen. Im Verlauf der Erkrankung kann es so zu unterschiedlichen Komplikationen kommen. Bei jungen und älteren Männern kann Mumps beispielsweise zu einer Hodenentzündung führen. Diese Entzündung dauert gewöhnlich zwischen drei und vier Tage. Sie verursacht eine Schwellung sowie Schmerzen und Druckempfindlichkeit. Sollte diese Hodenentzündung beidseitig auftreten, kann sie leider zur Unfruchtbarkeit führen. Bei Frauen hingegen kann es passieren, dass die Eierstöcke in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies macht sich dann durch Unterleibsschmerzen bemerkbar. Die Beschwerden halten normalerweise etwa eine Woche an, führen jedoch in aller Regel nicht zur Unfruchtbarkeit. Mumps kann aber noch andere Komplikationen mit sich bringen: Nackensteifigkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Fieber beispielsweise, können auf eine Hirnhautentzündung hindeuten. Manchmal kommt es auch zur Nieren – Nerven – und Gelenkentzündungen. Schwellungen der Tränendrüsen und eine Bauchspeicheldrüsenentzündung sind ebenfalls möglich. Eine Schutzimpfung ist mit Sicherheit ein empfehlenswerter Schutz.

Kann ich mich im Erwachsenenalter mit Keuchhusten anstecken?
Ja, und das passiert auch ab und an, nur wird es häufig nicht diagnostiziert. Denn ein Keuchhusten bei Erwachsenen verläuft in der Regel milder, als bei Kindern: Kein Fieber, kaum Schnupfen, nur eben der lästige Husten, der gut und gerne 14 Tage und länger anhalten kann. In solchen Fällen wird der Keuchhusten dann auch gerne mit einer Bronchitis verwechselt. Das gefährliche dabei ist, dass die erwachsenen Keuchhusten-Patienten mit Personen in Kontakt kommen, für die der Keuchhusten-Erreger lebensgefährlich sein kann. Dazu zählen vor allem Kleinkinder und Säuglinge. Wenn Sie den Verdacht hegen, an Keuchhusten erkrankt zu sein und sie Berührungspunkte mit kleinen Kindern haben, suchen Sie Ihren Hausarzt auf: Er kann durch einen Bluttest oder einen Abstrich aus der Nase feststellen, ob es sich tatsächlich um den Keuchhusten-Erreger handelt. Wenn das der Fall ist, wird er ein Antibiotikum verschreiben, dass sie nach einer Woche nicht mehr ansteckend sein lässt. Zum Schutz der Säuglinge lautet die allgemeine Impfempfehlung, ab dem zweiten Lebensmonat vier Impfungen vorzunehmen. Jugendliche zwischen neun und 17 Jahren sollten ihre Keuchhusten-Impfung auffrischen lassen. Außerdem sollten alle Bezugspersonen von Kleinkindern ihren Impfschutz überprüfen und gegebenenfalls auffrischen lassen.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals die Windpocken gehabt zu haben. Kann ich mich nachträglich, auch als Erwachsene, gegen Windpocken impfen lassen?

Ja, das können und das sollten Sie auch. Denn Windpocken können gerade bei Erwachsenen zu schweren Komplikationen, wie beispielsweise zu einer Hirnhaut- oder Gehirnhautentzündung führen. Prinzipiell gibt es einige Personengruppen, die ihren Impfschutz äußerst gewissenhaft überprüfen sollten. Dazu gehören Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist durch chronische Erkrankungen, aber auch Personen, die regelmäßig viel Kontakt haben zu anderen Menschen, vor allem Kindern. Frauen mit Kinderwunsch sollten eine Windpocken sowie auch eine Rötelnimpfung vornehmen lassen. Menschen,
die im medizinischen Bereich tätig sind, müssen ebenfalls auf einen ausreichenden Impfschutz bedacht sein.


Mein Mann und ich haben beide keine Impfungen vornehmen lassen. Auch bei unserer kleinen Tochter wollen wir wegen befürchteter Impfschäden davon absehen. Nun hörten wir von so genannten „Masernparties“, was halten Sie davon?

Es ist äußerst unvernünftig, die empfohlenen Impfungen zu ignorieren. Das kann nicht nur für Sie selbst, sondern auch für Ihr Kind sehr riskant werden. Die Impfmüdigkeit ist nun hauptsächlich damit zu erklären, dass die Gefahren, welche die jeweiligen Infektionskrankheiten mit sich bringen, nahezu völlig in Vergessenheit geraten sind. Und das ist paradoxerweise alleine den zuverlässigen Impfstoffen zu verdanken, die einer ständigen Kontrolle unterzogen werden. Vor allem was die Masern anbelangt, wird dies besonders deutlich: In den USA bewegte sich die Anzahl der jährlichen Maserninfektionen, in den Jahren von 1920 bis 1963, zwischen 100.000 und 900.000. Nach Einführung des Masern-Impfstoffes sank die Infektionsrate innerhalb der ersten zwei Jahre unter 50.000. 1999 kam es nur noch zu ganzen 100 Masernfällen. Ich finde, das spricht sehr für den Impfstoff. Was die „Masern-Parties“ anbelangt: Eine Masern-Erkrankung muss nicht immer schnell und komplikationslos verlaufen, weswegen ich solche Zusammenkünfte strikt ablehne. Besser und empfehlenswert ist dagegen eine entsprechende Impfung. Sie ist vergleichsweise schonender und ungefährlicher. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt über die Impfrisiken und überdenken Sie dann Ihre Position.

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