11.07.2003
Stellen Sie sich vor, Sie haben Bauchschmerzen. An was denken Sie? Richtig, Blinddarmentzündung. Oft ist es aber gar nicht der Blinddarm, sondern so genannte Divertikel. Das sind kleine Ausstülpungen auf dem Dickdarm. Dieser ist quasi ein langer Muskelschlauch. Er hat die Aufgabe, Wasser aus dem Darminhalt aufzunehmen und Abfallprodukte aus dem Körper auszuscheiden. Der Anfangsteil des Dickdarms, dazu gehören Blinddarm und aufsteigender Teil des Dickdarms, hat den größten Durchmesser. Der Darminhalt in diesem Teilstück ist vorwiegend flüssig. Das nächste Teilstück ist der quer verlaufende Dickdarm, danach folgen der absteigende Dickdarm und der s-förmige Dickdarm, das so genannte Sigmoid. Es ist mit dem Enddarm verbunden. Bis der Darminhalt das Sigmoid erreicht, ist viel Wasser daraus entfernt worden. Der Darminhalt ist dann normalerweise fest. Häufig entstehen die genannten Ausstülpungen im Bereich des Sigmoids. Entzündet sich eine dieser Taschen, spricht man von einer Divertikulitis. Im Unterschied zur Blinddarmentzündung ist der Schmerz gewöhnlich eher im linken Unterbauch und nicht rechts, dort wo der Blinddarm liegt.
Begriffe wie Divertikel, Divertikulose, Divertikelkrankheit oder Divertikulitis werden oft unkritisch gebraucht. Deshalb an dieser Stelle eine entsprechende Definition:
– Divertikulose beinhaltet das Auftreten von einzelnen oder mehreren Divertikeln.
– Divertikelkrankheit umfasst alle Beschwerden, die im Zusammenhang mit Divertikeln auftreten können: Das fängt bei einfachen Bauchschmerzen verursachenden Divertikel an und hört bei der Divertikulitis einschließlich Komplikationen auf.
Die schmerzhafte Divertikelkrankheit ist gekennzeichnet durch Beschwerden im linken Unterbauch einschließlich einer Störung der Darmfunktion und Stuhlunregelmäßigkeiten.
Die Divertikulitis stellt die entzündliche Komplikation eines oder mehrerer Divertikel dar, teilweise mit Abszess- und Gang-(Fistel)bildung. Folgende Schweregrade werden unterschieden:
Stadium 1:Divertikulose mit Beschwerden.
Stadium 2:Zustand nach erstem Divertikulitisschub.
Stadium 3:Die Entzündung greift auf die Umgebung über: Darm und Bauchfell.
Stadium 4:Entzündung der Umgebung mit Aufplatzen der Divertikel, der Abszesse in die freie Bauchhöhle mit Darmverschluss und massiven Blutungen.
Warum sich Divertikel entzünden, weiß man nicht genau. Es ist wohl so, dass ein hoher Druck einen kleinen Riss in einer der Divertikeltaschen verursacht. Die Bakterien, die sich normalerweise im Dickdarm befinden, können in der Folge das Gewebe infizieren.
Das Auftreten von Divertikeln zeigt eine deutliche Altersabhängigkeit. Vor dem 40. Lebensjahr finden sich Divertikel selten, im Alter von 50 Jahren ist etwa jeder Dritte betroffen, mit 70 Jahren jeder Zweiter und bei Patienten über 80 finden sich in zwei Drittel der Fälle Divertikel.
Acht von zehn Betroffenen merken nichts von den erbsen- bis haselnussgroßen Ausstülpungen. Durch Lücken in der Darmwandmuskulatur können sie sich im Laufe eines Lebens bilden. Die exakte Ursache ist noch ungeklärt, die veränderten Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, insbesondere die ballaststoffarme Ernährung, dürften die Divertikelentstehung fördern. Werden zu wenig Ballaststoffe gegessen, erhöht sich der Druck im Dickdarm, in der Folge stülpen sich die Lücken in der Darmwandmuskulatur aus.
Verursachen die Divertikel Bauchschmerzen, ist das A und O der Behandlung eine ballaststoffreiche Ernährung: Die Weizenkleie spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle. So hat eine Langzeitstudie über 12 Monate mit 75 Patienten ergeben, dass unter regelmäßiger Aufnahme von Weizenkleie der Druck im Dickdarm um die Hälfte absinkt. Die Umstellung auf mehr Ballaststoffe (z.B. Roggenbrot, Kartoffeln, Grobgemüse wie Kohlarten, Hülsenfrüchte) sollte aber langsam erfolgen, sonst kommt es zu Unverträglichkeiten, wie zum Beispiel einem Blähbauch, Völlegefühl, Unterleibskrämpfe und auch Durchfälle. Die Anpassungs- oder Umstellungsphase sollte sechs Wochen betragen. Keine Frage, von Patienten verlangt das Geduld und Durchhaltevermögen. Die bei uns verfügbaren Lebensmittel machen ein individuelles Diätvorgehen problemlos möglich. Schwer verdauliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Kohlgemüse, Zwiebeln oder auch Pilze sollten zu Beginn einer Umstellung gemieden werden. Nüsse, Leinsamenschrot oder äpfel und Birnen mit Kerngehäuse sind für Divertikelpatienten nicht geeignet, da von solchen unverdauten „Resten“ in Divertikeln ein Entzündungsrisiko ausgehen kann. Werden auch bei langsamer Steigerung Ballaststoffe nicht vertragen, können Quellmittel Abhilfe schaffen, sie machen den Stuhl voluminöser. Außerdem sollten Divertikelpatienten viel trinken: drei Liter pro Tag. Dies wirkt darmstimulierend und wird für das Quellen der Ballaststoffe benötigt. Bestimmte Inhaltsstoffe (Kohlendioxid CO2, Vitamin C, Milchzucker/-säure, Ballaststoffe) in Getränken wie Mineralwasser, Früchtetees, Kaffee, Milch, Kefir, Molke, Obst- und Gemüsesäfte steigern zusätzlich die Darmmobilität. Kommt es unter diesen Maßnahmen zu einem Stuhldrang, sollte man ihm tunlich nachgeben. Die Darmentleerung hinauszuschieben kann dazu führen, dass der Stuhlgang fester wird. Für die Entleerung wird dann mehr Kraft gebraucht und somit der Druck im Dickdarm erhöht.Die schmerzhafte Divertikelkrankheit ist gekennzeichnet durch Koliken, die häufiger im linken, seltener im rechten Unterbauch auftreten können und sich nach Nahrungsaufnahme verstärken. Stuhlgang oder der Abgang von Winden bessern die Beschwerden. Da sich hinter den Beschwerden auch andere Darmerkrankungen verbergen können, wie zum Beispiel Dickdarmkrebs, ist eine genaue Diagnosestellung unbedingt erforderlich. Dies geschieht durch eine Darmspiegelung (Koloskopie) oder eine Röntgenuntersuchung (Kolonkontrasteinlauf). Die Spiegelung ist gerade wegen der Divertikel schwierig und sollte nur von einem erfahrenen Untersucher durchgeführt werden. Sie dient besonders dem Ausschluss von gleichzeitig vorliegenden Erkrankungen, wie zum Beispiel Polypen und Dickdarmgeschwulsten. Zum reinen Divertikelnachweis ist die Röntgenuntersuchung besser geeignet. Eine Blutuntersuchung dient der Unterscheidung zwischen schmerzhafter Divertikelkrankheit und Divertikulitis. Diese entzündliche Komplikation und besonders Abszesse werden durch die bildgebenden Verfahren Ultraschall und Computertomographie nachgewiesen oder ausgeschlossen.
Steht fest, dass es sich um eine Divertikulitis handelt, greift eine spezielle Behandlung: Flüssige Ernährung und Antibiotika.
Schwere Formen der Divertikulitis müssen im Krankenhaus behandelt werden mit Nahrungskarenz, der Gabe von schmerz- und krampflösenden Medikamenten und Antibiotika in Form von Spritzen oder Infusionen.
Treten diese Entzündungen trotz Umstellung der Ernährung öfters auf, muss häufig operiert werden. Heute wird das meist endoskopisch (mit dem „Rohr“, ohne großen Bauchschnitt) durchgeführt.
Unter eine Divertikulitis kann es auch zu Komplikationen kommen: Die Divertikel platzen nach außen in die Bauchhöhle oder auch in den Darm. Bauchhöhlenentzündung oder Enddarmblutungen können dann die Folge sein. Gefürchtet ist auch die Gang-(Fistel-)bildung zur freien Bauchhöhle, zur Harnblase, Haut oder auch zur Scheide. In diesen Fällen muss dann operiert werden. Zum Glück sind diese Komplikationen aber selten und können bei frühzeitiger Ernährungsumstellung in der Regel verhindert werden.