Blase

Unser perfektes Entwässerungssystem

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18.01.2006

Die Blase ist ein dehnbarer muskulöser Sack, hier sammelt sich der Harn, der regelmäßig durch die beiden Harnleiter von der Niere abgesondert wird. Ist die Harnblase nur wenig gefüllt, sieht sie wie eine Schale aus. Ist sie voll, ähnelt sie einer Kugel und ist dann auch gut zu ertasten oberhalb des Schambeins. Nach außen wird der Harn durch die Harnröhre transportiert, sie ist eingebettet in die Beckenbodenmuskulatur. Die Blase ist mehr als nur ein Sammelbehälter für den Harn. Sie ist ein richtiges Organ mit einem ausgetüftelten Mechanismus, der die Entleerung steuert.

Damit die Harnblase dichthält, ist die Harnröhre mit zwei ringförmigen Muskeln verschlossen, den oberen unwillkürlichen und den unteren willkürlichen Muskel. Zuerst übernimmt der obere unwillkürliche Muskel die Arbeit. Er bleibt unter dem Einfluss des Sympathikus-Nerv (= der „Antreiber“) so lange angespannt, wie die Muskulatur, die die Harnblase umgibt, entspannt ist. Füllt sich die Harnblase, senden ihre Dehnungsrezeptoren zwei Botschaften aus. Die eine Botschaft wird ans Gehirn gesandt und teilt dem Bewusstsein mit, dass sich die Blase langsam füllt und entleert werden möchte. Dies bezeichnet man als Harndrang. Die andere Botschaft geht ins Rückmark und wird unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Sie bewirkt, dass jetzt nicht mehr der Sympathikus, sondern sein Gegenspieler, der Parasympathikus ( der „Dämpfer“), das Kommando übernimmt. Dieser sorgt dafür, dass sich die Blasenmuskulatur zusammenzieht und der obere Schließmuskel erschlafft. Damit kann sich die Blase entleeren. Da meist aber nicht sofort eine Toilette in der Nähe ist, können wir mit dem unteren Schließmuskel und der Beckenbodenmuskulatur die Harnröhre noch willentlich zusammendrücken. „Man verkneift es sich“ ist der sehr passende umgangssprachliche Ausdruck dafür, dass man seinem Drang auf Toilette zu gehen noch nicht nachgibt. Insofern ist ein gut trainierter Beckenboden wichtig für die Dichtigkeit der Blase. Bestimmte Medikamente können die Beckenbodenmuskulatur aktivieren, vor allem aber das Beckenbodentraining.

Bis zu einer Füllung von 500 bis 800 Milliliter, in Einzelfällen sogar bis zu einem Liter, ist das bewusste Zusammenkneifen möglich. Es ist aber nicht ratsam, diesen Zustand so lange wie möglich auszuhalten. Wenn man nämlich zulange wartet, dann bildet sich ein Krampf im unteren Schließmuskel und das Wasserlassen wird schwierig. Sie kennen das, wenn Sie dringend auf Toilette müssen, plötzlich aber nicht mehr können. Wenn Sie noch länger warten, dann bricht dieser Mechanismus völlig zusammen und das Wasserlassen wird unmöglich. Dann muss ein Katheter gelegt werden.
Es ist auch nicht gut, einen starken Harndruck zu oft auszuhalten. Denn die Blasenmuskulatur, die die Blase wie ein Netz umgibt, ist nur bis zu einer gewissen Grenze dehnungsfähig. Die Schleimhaut, die die Blase von innen auskleidet, kann sich Veränderungen jedoch stärker anpassen. Das heißt, bei einer übervollen Blase beult sich die Schleimhaut aus der netzartigen Muskelumhüllung heraus. Auf Dauer besteht die Gefahr, dass sich die Schleimhaut nicht mehr zurückbildet und „ausleiert“. Hier könnte sich dann Restharn sammeln und Entzündungen erleichtern.

Bei einer überaktiven Blase, auch als Konfirmanten- oder Sextanerblase bezeichnet, wird übrigens das Signal „volle Blase“ viel zu früh ans Gehirn gegeben. So entsteht ein starker Harndruck auch bei einer nur leicht gefüllten Blase. Dieser Harndruck kann mit einem ungewollten Verlieren von Harntröpfchen einhergehen, muss es aber nicht. Wenn die betroffene Person jetzt ständig dem Harndruck nachgibt und „alle Naslang“ auf die Toilette geht, verstärkt sie den Harndrang auf Dauer. Denn die Blase wird nicht mehr trainiert, wird weniger belastbar und verträgt immer weniger Füllung. Ein zu häufiges Aufsuchen der Toilette ist auf Dauer also genauso schlecht wie ein übertrieben langes „Verkneifen“. Hier können Medikamente die Blase vor dem Einfluss dieses Signals abschirmen. Zusammen mit einem Blasentraining wird die Toilettenfrequenz wieder auf ein normaleres Maß herabgesetzt.


Krankheiten

Überaktive Blase: Unwiderstehlicher Harndrang, der zu früh dem Bewusstsein gemeldet wird, betroffen sind Männer und Frauen. Ursachen: Entzündungen, Medikamentennebenwirkungen, schlechte Angewohntheit (immer zu früh aufs Klo).

Dranginkontinenz: Plötzlicher Harndrang gefolgt von unkontrollierbarem schwallartigem Harnverlust, betroffen sind zu 80 % Frauen. Ursache: Überaktivität des Blasenmuskels.

Belastungsinkontinenz (früher Stressinkontinenz genannt): Tröpfchenartiger Harnverlust ohne Harndrang, beim Heben, Lachen oder Husten. Es entsteht Druck im Bauchraum und auf die Blase; ein zu kleiner Schließmuskel und zu schwacher Beckenboden können herausdrängenden Harn nicht halten. Ursachen: Schädigung der Beckenbodenmuskulatur durch Schwangerschaften und vaginale Geburten bei fehlendem Beckenbodentraining. Betrifft 95 % Frauen. Hat nichts mit emotionalem Stress zu tun.

Harnsteine: Können überall in den Harnwegen entstehen, treten gehäuft bei älteren Menschen und bei Männern auf. Ursache: Harn ist zu sehr mit Salzen gesättigt.

Harnwegsinfekte: Entzündung der Harnwege, meist durch Darmbakterien. Kann bis in die Nieren hochwandern.

Blasenkrebs: Bösartiger Tumor an der Schleimhaut der Harnblase, entsteht vor allem durch aufgenommene Gifte (Chemikalien, Schmerzmittelmissbrauch, Rauchen)


Moderne Inkontinenz-Therapie

Die Belastungsinkontinenz geht meist mit einer erschlafften Beckenbodenmuskulatur einher. Hier sind moderne Medikamente die erste Wahl: Der Wirkstoff Duloxetin kann bei einer Schwäche des Blasenschließmuskels und des Beckenbodens im Rückenmark ansetzen und den Nervus pudendus anfeuern, der dann die Beckenbodenmuskulatur aktiviert. Ist die Beckenbodenmuskulatur zu erschlafft und geht zusätzlich mit einer Senkung von Gebärmutter einher, bietet sich das „TVT-Schlingenverfahren“ an. Die Anfangsbuchstaben „TVT“ stehen dabei für die englische Beschreibung „Tension free Vaginal Tape“, was sich im Deutschen mit „spannungsfreies Vaginalband“ übersetzen lässt. Diese Operationsmethode wurde 1995 von einem schwedischen Arzt entwickelt und gilt seitdem als Standardverfahren zur Behandlung von Belastungsinkontinenz. Unter örtlicher Betäubung wird operativ ein spannungsfreies Vaginalband angebracht, dessen Zweck es ist, die Harnröhre anzuheben und bei Belastung den mittleren Teil der Harnröhre zu stützen. Durch die gitterartige Struktur des Bandes wird es schnell vom Körpergewebe umschlossen und muss nicht angenäht werden, da es von alleine im Gewebe haftet. Der Eingriff dauert nur eine halbe Stunde. Der Patientin steht meist nur ein ein- bis dreitägiger Krankenhausaufenthalt bevor.

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