AOK bedient sich KBV-Zahlen zur gezielten Irreführung

Stellungnahme zur Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen

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Autor: Jean-Pierre Rummens

Mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen begründet die AOK ihren Anspruch auf Honorarverzicht der Ärzte: „Für Ärzte kann es insgesamt nur dann mehr Geld geben, wenn auch die Beitragszahler der Kassen wieder deutlich besser verdienten als heute.“

Fakt ist heute: Die Versicherten der AOK und anderer Krankenkassen verlangen von Ihrem Arzt stets eine bestmögliche medizinische Versorgung. Mehr als 100.000 niedergelassene Ärzte kommen diesen Ansprüchen Tag für Tag in deutschen Praxen nach – regelmäßig unter selbstausbeuterischem Einsatz.

Fakt ist heute: Eine angemessene Vergütung für hochwertige ärztliche Dienstleistungen wird im GKV-System nicht bezahlt. Selbst hinter den betriebswirtschaftlichen Kalkulationen des neuen EBM 2005 bleibt das derzeit ausgezahlte Honorar je nach Bundesland und Fachrichtung um bis zu 50% zurück.


Absurd: Veraltete Quellen

Die AOK führt ins Feld, dass der durchschnittliche Hausarzt Euro 80.000 Praxis-Gewinn aus GKV-Tätigkeit zieht. Dieser Wert wurde errechnet mit Zahlen aus 2003 und aus 1999 und verkennt zweierlei: Zum einen hat der neue EBM in vielen Praxen zu erheblichen Honorareinbußen geführt. Zum anderen liegen allen Statistiken PKV-subventionierte Praxen zugrunde. Die reine GKV-Praxis wäre heute wirtschaftlich längst nicht mehr zu führen – ein reines Zuschussgeschäft.


Widerlegt: Ein Zahlenbeispiel

Um statistischer Vernebelung zu entgehen, hilft gesunder Menschenverstand und ein konkretes Zahlenbeispiel:

In den meisten KVen ist die abrechenbare GKV-Leistung pro Zulassung auf 600.000-800.000 begrenzt (Quelle: regionale Honorar-Verteilungs-Verträge). Für Nordrhein gilt ein Durchschnittswert von 612.066 Punkten. Hinzu kommen (bei 800 Fällen/Quartal) 72.000 unbudgetierte Punkte aus der hausärztlichen Grundvergütung sowie 50.000 Punkte für Gesundheitsuntersuchungen und Früherkennung. Bei einem Auszahlungs-Punktwert zwischen 4 und 4,5 Cent ergibt dies ein GKV-Honorar von durchschnittlich Euro 120.000 pro Jahr.

An Fixkosten stehen dagegen in der durchschnittlichen hausärztlichen Praxis zwei Vollzeitkräfte (Euro 49.920 / Jahr), 100 m2 Raum (Euro 10.800 / Jahr), übliche Praxisausstattung (Euro 15.000 / Jahr), Buchhaltung, Telefon, Versicherungen usw. (Euro 9.900 / Jahr) – summa summarum also Euro 85.620 / Jahr (Quelle: Frielingsdorf – Statistik aus 226 Hausarztpraxen). Hinzu kommen variable Kosten von Euro 6,25 / Patient, bei 800 Scheinen also noch mal Euro 20.000 / Jahr. Als Entgelt für die ärztliche GKV-Leistung sowie für das nicht unerhebliche wirtschaftliche Risiko eines Freiberuflers verbleiben somit durchschnittlich Euro 14.000 pro Jahr.

Folgerichtig können nach aktuellen Angabe der KBV in Deutschland heute rund 30.000 niedergelassene Ärzte (das ist etwa ein Drittel) keine Rücklagen mehr bilden. Diese Praxen haben aus Privat-Liquidationen und GKV-Honoraren gemäß KBV ein verfügbares Einkommen (nach Abzug von Praxiskosten, Versorgungswerk und Steuern) von unter Euro 2.000 pro Monat.


Genug der Vernebelung!

Mit den zweckentfremdeten und veralteten KBV-Zahlen verwischt die AOK diese elementare Wahrheit. Stattdessen beziehen die Kassen in Ihre Haushaltsplanung die ärztliche Opferbereitschaft als festen Faktor mit ein und kalkulieren sich ihre bestehende Deckungslücke einfach zu. Ergebnis: Es reicht doch!

Niedergelassene Ärzte sind daher gut beraten, ihr Handeln künftig an betriebswirtschaftlichen Maßstäben auszurichten. Wer dabei die Patienteninteressen stets im Auge behält, dem kann mit dieser Zukunftsstrategie wenig zustoßen.

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